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Klimafreundliches Bauen – das ist das Schwerpunktthema des Energiebuchs Schweiz 2025, das Sie in den Händen halten. Und da prangt auf der Titelseite eine Treppe aus Beton. Wie kann das sein? Ist nicht gerade Beton der «Staatsfeind Nummer eins» des klimafreundlichen Bauens? Immerhin ist allein die Zementproduktion für rund acht Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Also: Schluss damit. Weg mit dem Beton. Lasst uns in Zukunft nur noch mit Holz, Lehm, Stroh und anderen Naturbaustoffen bauen! Oder?
Wie so oft ist die Situation nicht so klar und eindeutig, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Die Treppe auf der Titelseite dieses Buches steht im neuen Modul «Step2» des Forschungs- und Innovationsgebäudes «Nest» der Empa in Dübendorf. Bei seiner Entwicklung haben Forschende der ETH zusammen mit Architekten und Ingenieuren das Potenzial von computergestütztem Design und 3D-Druck ausgeschöpft, um den Materialeinsatz auf ein Minimum zu reduzieren. Weniger Beton also. Immerhin.
Den Materialeinsatz zu reduzieren, das ist ein Weg, um den CO2-Fussabdruck beim Bauen zu verkleinern. Konsequent weitergedacht heisst das, beim Bauen nicht nur weniger Material einzusetzen, sondern insgesamt weniger zu bauen: Bestehendes erhalten und ergänzen statt abreissen und neu bauen. Oder zumindest Materialien und Bauteile so weit wie möglich wiederverwenden.
Ebenso wie die Sparsamkeit beim Materialverbrauch wird aber auch die Kreislaufwirtschaft dem Bausektor auf dem Weg zu Netto-Null nur bedingt weiterhelfen. Bevölkerung und Pro-Kopf-Flächenverbrauch wachsen nun mal, und wie alle anderen Branchen ist auch das Bauen für Wachstum zwangsläufig auf frische Rohstoffe angewiesen. Natürlich kann man auf Beton verzichten und auf klimafreundlichere, nachwachsende Rohstoffe ausweichen. Aber da gilt es, genau und ideologiefrei zu rechnen. Wie nachhaltig ist welcher Baustoff wirklich?
Und möglicherweise hat am Ende auch Beton (wieder) seinen Platz in einer klimafreundlicheren Bauwirtschaft. Vielleicht mit einem neuen, klimafreundlicheren Zement. Oder wenn im Beton genauso viel Kohlenstoff gespeichert wird, wie bei seiner Herstellung in die Atmosphäre entweicht.
Diese Überlegungen zeigen: Den Königsweg zum klimaneutralen Bauen gibt es nicht. Aber es tut sich etwas. Überall auf der Welt, nicht zuletzt auch in der Schweiz, arbeiten Forschung und Industrie an Möglichkeiten, den CO2-Ausstoss im Bausektor zu reduzieren. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt das Schwerpunktthema dieses Buchs einen Überblick über diese Aktivitäten. Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Lesen.
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