Ästhetik und ­Sparsamkeit

Redaktion
Text | Manuel Pestalozzi
Die Wohn- und Gewerbesiedlung Guggach beim Bucheggplatz in Zürich-­Unterstrass ist Bestandteil einer Arealüberbauung an einer gut erschlossenen Lage, zusammen mit einer Schulanlage und einem Park. Die in die Fassadengestaltung integrierte PV-Anlage deckt einen Grossteil des eigenen Strombedarfs. Ein Mobilitätskonzept trägt zur Energieeffizienz der autofreien Siedlung bei.
Die Wohn- und Gewerbesiedlung steht an der stark befahrenen Hofwiesenstrasse. (Foto: Manuel Pestalozzi)

Guggach war einst ein kleiner Weiler am Fusse des Käferbergs, auf dem Sattel zwischen dem Limmat- und dem Glatttal. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wuchsen in diesem Gebiet die Stadt Zürich und der eingemeindete Industrieort Oerlikon zusammen. Nordöstlich des Weilers verblieb bis ins 21. Jahrhundert eine kaum bebaute Freifläche mit Sportplätzen, Familiengärten, einem Werkhof und einigen verstreuten kleineren Bauten. Ab 2017 plante die Stadt Zürich auf der ihr gehörenden Landreserve den Abschluss eines neuen, dichten Stadtquartiers mit Schwerpunkt Wohnen. Sie befindet sich in der Ostecke des Areals, wo sich die Hauptverkehrsachsen Hofwiesen- und Wehntalerstrasse kreuzen. An den stark befahrenen Strassen waren die Wohnungen und eine Primarschule vorgesehen, im verkehrsabgewandten Teil des Areals ein Park, der eine Verbindung zu den etwas höher gelegenen neuen Wohnsiedlungen am Wald­rand des Käferbergs schafft.

Die Entwicklung der Anlage erfolgte gemeinsam mit der Stiftung Einfach Wohnen (SEW), welche die Wohnhäuser anschliessend im Baurecht erstellen konnte. Von 2017 bis 2018 wurde ein Wettbewerb für das Gesamtprojekt – also Wohnhäuser, Schule und Park – durchgeführt. Das Programm verlangte 110–120 Wohnungen in den Wohnhäusern, zudem einen Kindergarten sowie für die Quartierversorgung 1800 m2 Gewerbe im Erdgeschoss.

Auf der Parkseite befindet sich ein Kindergartenpavillon, der vom selben Team entworfen wurde. (Foto: Philip Heckhausen)

Kostengünstig und nachhaltig gebaut

Den Wettbewerb konnten die Arbeitsgemeinschaft Donet Schäfer Architekten und Tanja Reimer aus Zürich mit Weyell Zipse Architekten aus Basel, ­heute Donet Schäfer Reimer Architekten GmbH ­(DOSCRE), und Atelier Loidl Landschafsarchitekten aus Berlin für sich entscheiden. Ihr Projekt platzierte das Schulhaus an der Wehntalerstrasse. Die Wohn- und Gewerbesiedlung nimmt die Arealecke ein und erstreckt sich entlang der Hofwiesenstrasse. Sie besteht aus zwei länglichen achtgeschossigen Volumen. Das nordöstliche ist ein Laubenganghaus, das südöstliche verfügt über einen zweigeschossigen trapezförmigen Sockel mit einem Detailhandelsgeschäft im Erdgeschoss. Die Bauten sind so gestaffelt, dass sich an der Hofwiesenstrasse direkt gegenüber der ÖV-Haltestelle ein kleiner Platz ergibt. An ihm befinden sich der Eingang zum Detailhandelsgeschäft und die Gewerbeflächen im Laubenganghaus, in dessen Flucht hinter dem Ladensockel der zum Park orientierte Kindergartenpavillon steht. Lesenswert ist der Kommentar von DOSCRE zur Grundidee: «Immer grösser werdende Planungsgebiete und die Wertschätzung der Gründerzeitstadt befördern Gebäudetypen mit Binnenräumen, die ein eindeutiges Innen und Aussen formulieren. Um die geplante programmatische Dichte einer Quar­tieröffentlichkeit zugänglich zu machen, ist in diesem Fall jedoch ein hohes Mass an Porosität gefragt. Das Gebäudeensemble erzeugt unterschiedliche spezifische Orte und vernetzt sie miteinander.»

Grundsätze des kostengünstigen Bauens durchdringen die Architektur. Gleiche Wohnungen wurden übereinandergestapelt, sodass Kräfte und Installationen ohne Versprünge geführt werden konnten und Nutzungseinheiten mit flexiblem Ausbau resultierten. Das beheizte Volumen wird mit Gebäudetiefen von etwa 12 und 13,5 Metern von einem gerade verlaufenden Dämmperimeter umschlossen. Die innere Organisation der ­Wohnungen ermöglichte effiziente Spannweiten von 7 und 7,9 Metern für eine Schottenstruktur. Die gewählte Schottenbauweise liess sich schnell und kostenbewusst realisieren. Kostenrelevant waren auch der Verzicht auf eine unterirdische Einstellhalle, günstige Kompaktfassaden, reduzierte Oberflächenbeschichtungen in den Innenräumen, Monobeton-Deckenplatten für die vorgelagerten Bauteile oder serielle, einfache Metallgeländer.

Das Wohnangebot umfasst Kleinwohnungen (Studios, zwei und drei Zimmer), grössere Wohnungen (viereinhalb bis fünfeinhalb Zimmer) und Grosswohnungen (sechseinhalb, siebeneinhalb und zehneinhalb Zimmer), zum einen im oberen Geschoss des erwähnten Sockels, wo sie über Patios, kleine Innenhöfe, mit Tageslicht versorgt werden, zum andern im obersten Geschoss des Sockelbaus, wo sie als Maisonetten ausgebildet sind. Auf einem strengen orthogonalen Konstruktionsraster liess sich somit ein ausserordentlich vielseitiges Wohnangebot realisieren, das auch angemessen auf die Lärmbelastung reagiert. Die Kleinwohnungen sind im Laubenganghaus untergebracht. Die Laubengänge, von DOSCRE als «kollektive Stadtloggien» bezeichnet, ziehen sich der Platzfassade entlang. Dieser gemeinschaftliche Begegnungsraum soll die Voraussetzung für ein spezifisches Zuhause unterschiedlichster Menschen und deren Dialog schaffen.

Entlang des Laubengangs sind angewinkelte PV-Module befestigt. (Foto: Philip Heckhausen)
Beim Sockelgebäude dienen die PV-Module als Sonnenschutz. (Foto: Philip Heckhausen)

Photovoltaik als Teil der Architektur

Einen Beitrag an die Energieeffizienz der Überbauung leisten Photovoltaikmodule auf den Dächern und an der Fassade. Sie sind integraler Teil der Architektur. Das Entwurfsteam schreibt in seinem Bericht dazu: «Die Integration der PV-Elemente in Fassade und Dach war keine Last, sondern eine Chance, die Technologie für die gesuchte stadträumliche Wirkung nutzbar zu machen. Dass sie hierbei direkt und unmittelbar in Erscheinung tritt, liegt ebenso an unserer entwerferischen Haltung, wie auch an den Zielsetzungen der Auftraggeberin. Die Notwendigkeit zur postfossilen Energiegewinnung soll im gesellschaftlichen Bewusstsein ankommen – dafür muss sie auch wahrnehmbar sein und eigene Bilder produzieren.»

Die PV-Bänder des Laubenganghauses betonen die Horizontale vor den kräftigen Natursteinstützen in der Tiefe. Die leichte Auskragung bildet ein Vordach für den Laubengang. «Die architektonische Komposition aus ganz unterschiedlichen und doch aufeinander abgestimmten Bauteilen erzeugt eine stadtbildprägende Platzfassade – eine Eigenschaft, die Laubenganghäusern und PV-Standardmodulen in der Regel abgesprochen wird», steht im Bericht des Entwurfsteams. Diese Module treten nicht nur als Brüstungsbänder in Erscheinung, sondern auch als Vordächer, Sonnenschutz oder aufgeständertes Schild.

Zur autofreien Siedlung gehört auch ein Mobilitätskonzept; einen Beitrag leisten 326 Veloabstellplätze auf dem Areal bei, davon 200 in einer grossen Velogarage im Sockelbereich. Mietende dürfen kein Auto besitzen. Für Besuchende und Gewerbekundschaft steht eine geringe Anzahl an Parkplätzen zur Verfügung.

Fakten und Daten
Objekt
NameSiedlung Hofwiesenstrasse
OrtHofwiesenstr. 183, 185, 187, 189, 191
Höhe ü. M.465 m
Gebäude
Realisierung (Zeitraum)2021–2024
Anzahl Wohnungen111
EnergiebezugsflächeHaus A 5870 m2
Haus B 6177 m2
Kindergarten 377 m2
total 12'424 m2
Gebäudehüllzahl Ath/AEHaus A 0.94
Haus B 0.94
Kindergarten 2.91
U-Werte
FensterHaus A 0.95 W/m2K, Schaufenster EG 1.0 W/m2K
Haus B 0.95 W/m2K, Schaufenster EG 1.0 W/m2K
Kindergarten 0.8 W/m2K
Boden gegen unbeheiztHaus A 0.26 W/m2K
Haus B 0.24 W/m2K
Kindergarten 0.17 W/m2K
Wand gegen aussenHaus A 0.18 W/m2K
Haus B 0.17 W/m2K
Kindergarten 0.12 W/m2K
Dach gegen aussenHaus A 0.14 W/m2K
Haus B 0.11 (Schrägdach)/
0.17 (Flachdach) W/m2K
Kindergarten 0.13 W/m2K
Energieversorgung
WärmeversorgungFernwärme (Anschlusspflicht)
SonnenkollektorenDach/Fassade, m2, Deckungsgrad (Warmwasser oder Heizungs­ergänzung) keine
PV-AnlageDach und Fassade, m2 keine Angaben
Haus A 159 kWp, berechneter Ertrag 163'219 kWh
Haus B 193 kWp, 190'521 kWh
Kindergarten 28 kWp, 15'845 kWh
LüftungAussenluftdurchlässe
Energieberechnung
HeizwärmebedarfHaus A Qh eff 34.1 kWh/m2
Haus B 23.5 kWh/m2
Kindergarten 53.6 kWh/m2
Wärmebedarf WarmwasserHaus A 19.2 kWh/m2
Haus B 18.6 kWh/m2
Kindergarten 6.9 kWh/m2
Gewichtete EnergiekennzahlHaus A 48.3 kWh/m2 (Minergie-­Kennzahl)
Haus B 42.7 kWh/m2
Kindergarten 14.2 kWh/m2
Haus A 2.8 kg CO2/m2
Haus B 1.9 kg CO2/m2
Kindergarten -1.6 kg CO2/m2
Zertifizierungkeine
WeiteresProjekt gesteuert nach SNBS Hochbau ohne Zertifizierung
Kontakte
BauherrschaftStiftung Einfach Wohnen,
8003 Zürich, einfach-wohnen.ch
ArchitektDonet Schäfer Reimer Architekten GmbH
8004 Zürich
doscre.ch
BaumanagementHSSP AG, 8050 Zürich, hssp.ch
Energieplanung/HaustechnikplanungIBG Engineering AG
8409 Winterthur (Elektroplanung, PV Planung)
ibg.ch
Waldhauser + Hermann AG,
4142 Münchenstein
(Heizung, Lüftung Koordination),
waldhauser-hermann.ch
BLM Haustechnik AG,
8047 Zürich (Sanitärplanung),
blm-haustechnik.ch
Büro für Nachhaltigkeit am Bau
Stefan Schrader AG, 8045 Zürich (Energieberatung),
nachhaltigkeit-am-bau.ch
BauphysikBAKUS Bauphysik & Akustik AG,
8045 Zürich,
bakus.ch
Fassadenplanung und BauingenieurwesenLüchinger Meyer Partner AG,
8005 Zürich,
lmp-ing.ch
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