Büros ohne Heizung

Redaktion
Text und Bilder | Manuel Pestalozzi    
JED steht für «Join. Explore. Dare» (Mach mit. Untersuche. Wage), Wörter die Community-Charakter, lnnovationskraft und Dynamik zum Ausdruck bringen sollen. Das Akronym bezeichnet ein Zentrum für Innovation und Wissenstransfer – auch für die Architektur. Der Neubau-Sektor D wurde vom Architekturbüro Baumschlager Eberle Architekten nach dessen Konzept «2226» geplant. Die Klimatisierung in den drei oberen Büroetagen kommt ohne Heizung, mechanische Lüftung und Kühlung sowie ohne Zuführung von Fremdenergie aus.
Das Bürogebäude reicht von der Zürcherstrasse bis zum Gleisfeld der Eisenbahn.
Das Bürogebäude reicht von der Zürcherstrasse bis zum Gleisfeld der Eisenbahn.

Seit 2016 wird unter der Regie der Eigentümerin Swiss Prime Site (SPS) der ehemalige Standort des NZZ-Druckzentrums zu einem modernen Arbeitsort und Lebensraum mit vielfältigen und flexiblen Nutzungsarten transformiert. Die Rede ist von einem Think- und Work-Tank für Business, Industrie und Gewerbe. Das Areal in Zürichs Vorortsgemeinde Schlieren befindet sich direkt an der Bahnlinie durchs Limmattal, rund 400 Meter östlich des Bahnhofs von Schlieren. Nach Süden wird es begrenzt von der Zürcherstrasse, der alten Hauptstrasse nach Baden.

Der Sektor J in den ehemaligen Druckereihallen bildet das Zentrum von JED. Bis zu 18 Meter hohe Räume lassen viel Freiraum für die innenarchitektonische Gestaltung von Büro- und Gewerbemietflächen mit Industriecharakter. Sektor E bezeichnet den Kopfbau mit Büro- und Gastroflächen. Er ist räumlich mit dem Hallenbau verbunden. Hier findet man neben Gastroflächen im Erdgeschoss grosszügige Büroflächen in den oberen drei Stockwerken. Die erneuerten Bestandesbauten werden seit 2021 genutzt. Sektor D, das «Wagnis» im Akronym, umfasst den Neubau, der westlich an sie anschliesst. Er erstreckt sich von der Zürcherstrasse bis zum Gleisfeld der Bahn und bietet auf fünf Stockwerken eine Geschossfläche von rund 18 000 Quadratmetern. Das Raumangebot richtet sich primär an Mieter mit Bedarf für grosse, zusammenhängende sowie anpassungsfähige Flächen; das Erd- und das erste Obergeschoss ist für Labore eingerichtet, die drei darüberliegenden Geschosse sind Büros. Die Grundsteinlegung fand im September 2022 statt, der Bezug beginnt zum Jahreswechsel 2024/25.

Versätze in der Fassade gliedern neben den Einkerbungen die regelmässige Fassade. Die Lochfenster sind nach bauphysikalischen Grundsätzen dimensioniert.
Versätze in der Fassade gliedern neben den Einkerbungen die regelmässige Fassade. Die Lochfenster sind nach bauphysikalischen Grundsätzen dimensioniert.

Massive Gebäudehülle, gesteuerte Lüftung

Der Baukörper hat eine trapezförmige Grundrissform und besitzt drei zentral angeordnete, kompakte Erschliessungskerne. Im Untergeschoss befindet sich eine Einstellhalle. Ein kleiner Innenhof im ersten Obergeschoss und Einkerbungen an den Längsseiten lockern das grosse Volumen in den überirdischen Geschossen auf, zusammen mit leichten Versätzen in den verputzten Fassaden, die durch regelmässige Abfolgen von Lochfenstern gestaltet sind.

Das Erscheinungsbild des Gebäudes entspricht dem Konzept «2226» des verantwortlichen Architekturbüros Baumschlager Eberle. Es wurde in den vergangenen Jahren schon mehrfach bei Bürobauten angewendet. JED Sektor D ist das bisher grösste «2226»-Projekt. Ein wesentliches Merkmal des Konzepts ist der niedrige U-Wert der Gebäudehülle, die aus zwei Backsteinschichten besteht und ohne Dämmung auskommt. Dank ihr hat die Wärme oder Kälte im Aussenbereich nur wenig Einfluss auf die Innentemperatur. Der kompakte Baukörper mit der massiven, tragenden Fassade fungiert dabei als Dämm- und Speichermasse und hält die Kühle im Sommer bzw. die Wärme im Winter energieeffizient im Inneren. Hinzu kommt das austarierte Zusammenspiel von Fassaden und Fensterflächen, von Proportionen und Geometrien für die optimale Nutzung von Tageslicht. Wertige Materialien stellen eine langlebige, robuste Bausubstanz sicher.

Der zweite Hauptpfeiler des Systems ist das intelligente Steuerungssystem. Mit ihm lassen sich die vorhandenen natürlichen Energieströme regulieren und damit effektiv nutzen. Die sensorgesteuerten Lüftungsflügel der Fenster öffnen und schliessen sich automatisch, sobald im Innenraum und Aussenbereich bestimmte Grenzwerte gemessen werden. Eine sich selbst optimierende Software wertet die Daten in Echtzeit aus und kontrolliert so konstant die Raumbedingungen. Sie ersetzt konventionelle Haustechnik, spart Platz und senkt Wartungskosten.

Auch bei JED Sektor D reduzieren die massiven Aussenwände den Wärmeaustausch. Die Grossräume werden zwar von Stützen getragen, die Einkerbungen und der Innenhof sorgen aber für lange Abwicklungen in der klimawirksamen Gebäudehülle, deren Verlauf auch bei der Schaffung der Luftströme in den einzelnen Geschossen eine Rolle spielt. Bis zu 3,79 m hohe Räume sorgen für gutes Wohlbefinden, nach bauphysikalischen Grundsätzen dimensionierte Fenster bringen das notwendige Tageslicht ins Innere. Die von Sensoren gesteuerten Lüftungsflügel schaffen in den drei Bürogeschossen ohne eingebrachte Heizwärme oder aktive Kühlung ein optimales Arbeitsklima mit optimalen Temperaturen zwischen 22 und 26 Grad, also in jenem Temperaturbereich, dem das Konzept «2226» seinen Namen verdankt. Im Erd- und im ersten Obergeschoss mit den Laborflächen wurden Umluftkühlgeräte realisiert. Die Bauherrschaft spricht bei JED Sektor D von neuen Massstäben in der Kosten-, Energie-, und Flächen­effizienz.

Die Pläne für das Gebäude wurden vorgängig ausgiebig mit Simulationen an einem digitalen Modell getestet. Gemäss der Firma Lauber IWISA erlauben die Simulationen mit der Anwendung IDA ICE folgenden Schluss: Bei reduzierten, normalen wie auch erhöhten internen Lasten gemäss SIA2024 ist die Möglichkeit gegeben, dass das Komfortband (22–26 °C) bei einer Luftqualität mit CO2 < 1500 ppm eingehalten wird.

Der Neubau bildet den Schlussstein des JED-Campus.
Der Neubau bildet den Schlussstein des JED-Campus.
Die drei oberen Geschosse kommen ohne Heizenergie aus. (Quelle Lauber IWISA)
Die drei oberen Geschosse kommen ohne Heizenergie aus. (Quelle Lauber IWISA)

CO2-Gefängnis

Bei der Nachhaltigkeitsbilanz von JED Sektor D entschied sich die Bauherrschaft bei der Wahl des Betons für ein noch wenig bekanntes Produkt, welches gesamthaft über 10 000 Tonnen Primärressourcen einsparen soll. Zur Anwendung kam das Produkt Zirkulit der gleichnamigen Schweizer Firma.

Die Zirkularität des Betons wird bei diesem Produkt durch den höchstmöglichen Sekundärrohstoffanteil erzielt. Der minimale CO2-Fussabdruck entsteht in zwei Schritten: Erstens wird die Rezeptur selbst auf einen minimalen CO2-Fussabdruck optimiert. Dabei werden ein minimaler Zementgehalt sowie hochwertige Zementsorten verwendet. Zweitens werden mit einer eigens von der Zirkulit AG entwickelten Speichertechnologie Negativemissionen im Beton erreicht. Denn in diesem Baustoff lassen sich mindestens 10 Kilogramm CO2 pro Kubikmeter Beton speichern. Umweltproduktedeklarationen erbringen für alle entsprechenden Eigenschaften transparent und fremdüberwacht Nachweise.

Bei JED Sektor D verbaute man rund 8300 Kubikmeter Zirkulit. Neben der Einsparung der Primärressourcen bindet der Baustoff rund 83 Tonnen CO2. Er bleibt im Gebäude gefangen und kann in der Atmosphäre keinen Schaden anrichten.

Fakten und Daten
Objekt
NameJED Sektor D
Ort8952 Schlieren (ZH)
Höhe ü. M.395 m
Gebäude
Realisierung (Zeitraum)2022-2024
Energiebezugsfläche18 540 m2
U-Werte
Fenster1.3 W/m2K
Boden gegen unbeheizt0.25 W/m2K
Wand gegen aussen0.17 W/m2K
Dach gegen aussen0.17 W/m2K
Energieversorgung
WärmeversorgungAbwärmenutzung, Wärmepumpenboiler
LüftungGesteuerte Fensterlüftung
ZertifizierungSNBS Gold
WeiteresBesonderheiten wie Regenwassernutzung, Dachbegrünung, etc.
Kontakte
BauherrschaftSwiss Prime Site Immobilien AG
Prime Tower
Hardstrasse 201
8005 Zürich
www.sps.swiss
ArchitektBaumschlager Eberle Architekten
Bäckerstrasse 40
8004 Zürich
www.baumschlager-eberle.com
TotalunternehmerFREO Switzerland AG
Headquarter Platz 6
6039 Root
www.freogroup.com
TotalunternehmerRhomberg Bau AG
Feldlistrasse 2
9000 St. Gallen
www.rhomberg.com
HLKS-Planung, Thermische GebäudesimulationLauber IWISA
3904 Naters
Kehrstrasse 14
www.lauber-iwisa.ch

Baumschlager Eberle Architekten
8004 Zürich
www.baumschlager-eberle.com

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