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Am Schlossbergweg in Baden zeigt sich, wie sich historische Bausubstanz und nachhaltige Bauweise verbinden lassen. Die Architekten Menzi Bürgler Kuithan ergänzten eine Villa von 1923 um zwei neue Wohnhäuser, die mit Hanfkalksteinen gebaut wurden – einem Baustoff, der zugleich dämmt, atmet und CO2 bindet.
Seit über einem Jahrtausend blickt die Burgruine Stein über das Stadtzentrum von Baden. Am Fuss des Hügels, am steilen Südhang des Schlossbergs, errichtete der Architekt Hans Loepfe 1923 eine repräsentative dreigeschossige Villa mit streng symmetrisch gegliederten Fassaden und Walmdach. Am südlichen Ende des rund 2000 m2 grossen Grundstücks findet sich ein geschütztes barockes Rebhaus. Zum Ensemble gehört eine ausgedehnte Gartenanlage mit Stützmauern und altem Baumbestand.
Die Erben der Villa beauftragten das Zürcher Architekturbüro Menzi Bürgler Kuithan, die Villa zu sanieren und das Grundstück mit dem Bau zweier neuer Einfamilienhäuser zu verdichten. Die Villa wurde substanzschonend renoviert. Die beiden unteren Geschosse wurden zu einer 5,5-Zimmer-Wohnung zusammengefasst, im Dachgeschoss entstand eine zusätzliche Einliegerwohnung. Die Baumassnahmen erfolgten unter Einbezug der Denkmalpflege und respektieren den historischen Bestand im Inneren wie im Äusseren.
Parallel zur Sanierung der Villa entstanden zwei neue Wohnhäuser. Die dreigeschossigen Neubauten mit einer Wohnfläche von je 125 m2 nehmen in Setzung und Körnung Rücksicht auf die bestehende Struktur von frei stehenden Einzelobjekten und orientieren sich mit ihrem kompakten Fussabdruck an den Dimensionen des Rebhauses. Die beiden schlichten Bauten mit rechtwinklig zueinander gestellten Satteldächern wirken in ihrer Gliederung ruhig und bilden mit der Villa eine Einheit. Die Materialisierung mit abgestuften Betonsockeln, Besenstrichputz in hellen Naturtönen und Fensterlaibungen aus Holz fügt sich in den bewachsenen, trockenen Kalkfelsen im Hintergrund ein.
Ökologisch und ökonomisch zugleich
Die Lage am steilen Hang und die enge Stellung der Häuser verlangten nach einem hohen Grad an Vorfertigung und einer nicht brennbaren Konstruktion. Die Planer des Zürcher Architekturbüros Menzi Bürgler Kuithan entschieden sich daher für einen Holzständerbau, der mit Hanfkalksteinen ausgemauert und mit einer zweiten Steinschicht verkleidet wurde.
«Wir haben nach einer konsequent nachhaltigen Bauweise gesucht, die zugleich wirtschaftlich interessant ist», erklärt Architektin Helene Kuithan. Ein Mitarbeiter des Büros hatte die Steine im Rahmen eines Weiterbildungslehrgangs kennengelernt und sie als zu hundert Prozent recycelbares Produkt vorgeschlagen. Ihre bauphysikalischen Eigenschaften passten zudem gut zum Entwurfskonzept und entsprachen dem Wunsch der Bauherrschaft nach einer ökologischen Lösung.
Die Steine lieferte das Schönthaler Bausteinwerk aus Südtirol, das auch den Baumeister instruierte. Die Verarbeitung erwies sich als unkompliziert: Die Steine werden mit Kalkmörtel vermauert und lassen sich mit handelsüblichem Werkzeug schneiden oder fräsen. Hanfkalk, so Kuithan, sei eine zeitgemässe Weiterentwicklung des traditionellen Riegelbaus – leicht, gut zu verarbeiten und ohne grossen Schulungsaufwand einzusetzen. Allerdings müsse man grössere Toleranzen als bei herkömmlichem Mauerwerk in Kauf nehmen, da das Naturprodukt auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen reagiere. Wichtig sei deshalb eine präzise Bauablaufplanung, weil die Steine vor dem Verputzen nicht nass werden dürfen und die Putzarten auf das Material abgestimmt sein müssen.
Auch bei den Decken setzten die Architekten auf eine nachhaltige und CO2-effiziente Konstruktion. Zum Einsatz kommen 160 Millimeter hohe Holzbalken, zwischen denen Kalksandsteine mit den Massen 250 × 65 Millimeter eingelegt sind. Auf den Dächern der beiden Neubauten integrierte Photovoltaikanlagen liefern Strom für alle drei Häuser. Dieser wird unter anderem für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe im Altbau sowie zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen in den Neubauten genutzt, die die Wärmeversorgung sicherstellen.
Bauen mit Hanfkalksteinen
Hanfkalksteine gelten als besonders nachhaltiger Baustoff, weil sie in mehreren Dimensionen Vorteile bieten. Die Grundlage bildet die Hanfpflanze, die innerhalb weniger Monate wächst, kaum Pflanzenschutzmittel benötigt und während ihres Wachstums grosse Mengen Kohlendioxid bindet. Diese Bindung bleibt auch nach der Verarbeitung in den Hanfschäben erhalten. Zusätzlich härtet der beigefügte Kalk durch Aufnahme von CO2 aus der Luft weiter aus, sodass das Material über seine gesamte Lebensdauer hinweg als Kohlenstoffspeicher wirkt. Auch die Herstellung selbst ist energiearm: Im Gegensatz zu Ziegeln oder Beton müssen keine hohen Brenntemperaturen erreicht werden, vielmehr reicht das Mischen von Hanfschäben mit Kalkhydrat.
Neben der ökologischen Bilanz punkten Hanfkalksteine auch beim Gebäudeklima. Das Material ist diffusionsoffen und reguliert Feuchtigkeit auf natürliche Weise: Es nimmt Wasserdampf aus der Raumluft auf, speichert ihn zwischen und gibt ihn bei trockeneren Bedingungen wieder ab. So bleibt die Luftfeuchtigkeit im Gleichgewicht, Schimmel hat kaum eine Chance und das Wohnklima wirkt spürbar angenehmer. Darüber hinaus verbinden die Steine Wärmedämmung mit Speichermasse. Sie halten Räume im Sommer länger kühl und im Winter länger warm, was den Energieverbrauch reduziert und für stabilere Temperaturen sorgt.
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