Wärme aus der Tiefe für Sportcampus in der Höhe

Redaktion
Text | Christoph Stapfer    
Im Nationalen Sportzentrum in Magglingen (NSM) wird ein Grossteil der Energieversorgung erneuert. Ein rund 2700 m langes Fernwärmenetz ist aktuell im Bau. Als definitive zentrale Wärmequelle ist Erdwärme – bzw. Geothermie – aus einer Tiefe von rund 1500 bis 2200 Metern vorgesehen. Für die Energiezentrale beim geplanten Bohrloch wurde bereits ein Architekturwettbewerb durchgeführt.
Die Energiezentrale ist als «Schaukasten» geplant. Am rechten Bildrand erkennt man die kreisförmige Fläche, welche die Bohrung kennzeichnen soll. (Visualisierung: op-arch)
Die Energiezentrale ist als «Schaukasten» geplant. Am rechten Bildrand erkennt man die kreisförmige Fläche, welche die Bohrung kennzeichnen soll. (Visualisierung: op-arch)

Die kleine Ortschaft Magglingen erstreckt sich über Rodungsinseln auf der südlichsten Antiklinalen der Jurakette. Die Südorientierung und die Fernsicht auf den Bielersee und in die Alpen führten im späteren 19. Jahrhundert zum Bau eines palastartigen Kurhauses mit einer nahen Standseilbahn nach Biel. Mitten im Zweiten Weltkrieg wurde das Kurhaus von der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufgekauft und zum Standort der neuen Eidgenössischen Sportschule auserkoren. 1998 gründete man unter dem damaligen Bundesrat Adolf Ogi das in Magglingen beheimatete Bundesamt für Sport BASPO. Teil des BASPO ist die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM), die der Berner Fachhochschule BFH angegliedert ist und den Auftrag hat, einen Beitrag zur Förderung des Schweizer Sports zu leisten. Das Nationale Sportzentrum in Magglingen (NSM) umfasst neben diversen Aussenanlagen Sporthallen, Unterkünfte, Schulungseinrichtungen, Sportmedizinräume und Verwaltungsbauten. Im Sinne des «Aktionsplans Sportförderung» von 2016 findet eine allgemeine Aktualisierung und Erweiterung des NSM statt. Betroffen ist auch die Energieversorgung; ein neues Fernwärmenetz soll zur nachhaltigen, substanziellen Reduktion des CO2-Ausstosses beitragen.

Als zentrale Wärmequelle für das Fernwärmenetz in Magglingen ist Erdwärme vorgesehen. Die Verantwortlichen sind zuversichtlich, dass hier eine erneuerbare Energie im Boden direkt angezapft und genutzt werden kann. Geologische Gutachten zum Untergrund von Magglingen lassen warmes Tiefenwasser vermuten. Der Jurasüdfuss bietet hervorragende Bedingungen für die Erdwärme. Historische Thermalbäder und die Erfahrungen mit Tunnelprojekten für die Bahn deuten generell grosses Wasservorkommen in bestimmten geologischen Schichten an. Das Kalkgestein des Juras weist allgemein einen guten Wasserdurchfluss aus. Unterhalb von Magglingen sind potenziell geologisch interessante Zonen zu erwarten; mehrere Gesteinsschichten treffen dort aufeinander.

Das Vorhandensein dieses Wärmereservoirs muss aber noch durch Untergrund-Untersuchungen bestätigt werden. Im Frühling 2023 erfolgte eine solche. Die Auswertung der gesammelten Daten ist noch nicht abgeschlossen, und weitere sind gemäss den Verantwortlichen nötig, um ein möglichst präzises Abbild des Untergrundes zu erhalten. Abhängig von der effektiven Tiefe der wasserführenden Schichten wird mit einer Wassertemperatur von 25–60 ° Celsius gerechnet.

Pioniervorhaben

Die Erdwärme – bzw. Geothermie – soll bei diesem Projekt aus einer Tiefe von rund 1500 bis 2200 Metern auf die Jurahöhen gelangen. Warmes Wasser wird über einen Schacht an die Oberfläche gepumpt. Geothermische Anlagen dieser Grössenordnung gibt es laut den Verantwortlichen in der Schweiz noch praktisch kaum. Eine vergleichbare Anlage mit dieser Bohrtiefe existiert aktuell nur im baselstädtischen Riehen. Sie ist bereits 30 Jahre alt. Nicht vergleichen lässt sich das Vorhaben in Magglingen mit den Geothermieprojekten in Basel und St. Gallen, die 2006 respektive 2013 Erdbeben auslösten und eingestellt wurden. Dort waren die Tiefen deutlich grösser: 5000 Meter in Basel, 4500 Meter in St. Gallen. Anders als bei jenen Versuchen soll in Magglingen mit dem Wasser kein Druck erzeugt werden. Vielmehr soll bereits in der Tiefe vorhandenes Wasser «angebohrt» und dann nach oben befördert werden. Sobald es in der Energiezentrale seine Wärme abgegeben hat, möchte man es wieder in den Boden zurückleiten. Der Druck im Untergrund soll sich dadurch nur unwesentlich ändern.

Die Luftaufnahme von 2007 zeigt das einstige Kurhaus mit der benachbarten Seilbahnstation und den späteren Erweiterungen. Im Bild direkt darüber ist die Lichtung, auf der die Energiezentrale gebaut werden soll. (Foto: ETH-Bi­bliothek Zürich, Bildarchiv / R. Ziebold)
Die Luftaufnahme von 2007 zeigt das einstige Kurhaus mit der benachbarten Seilbahnstation und den späteren Erweiterungen. Im Bild direkt darüber ist die Lichtung, auf der die Energiezentrale gebaut werden soll. (Foto: ETH-Bi­bliothek Zürich, Bildarchiv / R. Ziebold)
Das Fernwärmenetz erreicht zahlreiche verstreute Bauwerke. (Grafik: BBL-Wärmeverbund Magglingen)
Das Fernwärmenetz erreicht zahlreiche verstreute Bauwerke. (Grafik: BBL-Wärmeverbund Magglingen)

Energiezentrale als Symbol

Da noch vieles im Unklaren ist, gibt es für das Magglinger Fernwärmenetz auch einen «Plan B»: erneuerbare Energie aus Holzschnitzeln. Aktuell ist eine provisorische Zentrale im Betrieb, welche Holzpellets verfeuert. Allerdings hat das zuständige Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) bereits einen Architekturwettbewerb für die definitive Energiezentrale durchgeführt, der im November 2023 entschieden wurde. Das Bedürfnis nach einer baukünstlerisch hochstehenden Architektur für diesen Infrastruktur-Zweckbau begründet das BBL einerseits mit dem gesellschaftlichen Wert von Magglingen als Naherholungsgebiet. Der guten Einbettung des Neubaus in die Landschaft misst man deshalb eine hohe Bedeutung bei. Andererseits besteht auch der Wunsch, dass sich der innovative, nachhaltige Charakter des Geothermie-Projekts in der Architektur der Energiezentrale zeichenhaft manifestiert.

Als Standort der künftigen Energiezentrale ist eine Lichtung oberhalb der Endstation der Seilbahn und des ehemaligen Kurhauses. Dort befinden sich neuere und ältere Sporthallen und der Werkhof, die natürlich ins Fernwärmenetz eingebunden sind. In der neuen Energiezentrale gilt die Geothermieanlage als «Herzstück»: Zur Nutzung der Geothermie soll gemäss Ausgabenstellung im Wettbewerb unmittelbar vor der Zentrale die Bohrung von zwei Tiefbrunnen erfolgen. Zur Aufgabe der Wettbewerbsteams gehörte auch die Integration der erwähnten provisorischen Heizanlage mit zwei Pellets-Kesseln sowie einem Ölkessel. Sie soll bei der definitiven Heizzentrale als Redundanz dienen.

Das Siegerprojekt aus dem Architekturwettbewerb stammt vom Team um op-arch AG, Zürich. Es schlägt am Standort einen durchsichtigen «Schaukasten» vor. Dieser ist als östlicher Abschluss des Werkhofs konzipiert. In der asphaltierten Vorzone befinden sich die beiden vorgesehenen Bohrlöcher. Der Bodenbelag soll mit Intarsien eingefasst sein, um sie herum wird ein weiter, von einem kleinen Graben begrenzter Kreis geschlagen, in dem sich der Belag klar von der restlichen Platzfläche abhebt. Mit dieser symbolischen Geste will das Projekt die Energiegewinnung sichtbar machen.

Wenn die Daten der Probebohrung erfolgversprechende Resultate zeigen, kann mit der Planung der Bohrung gestartet werden, heisst es seitens des BBL. Erfolgversprechend bedeute in diesem Kontext, dass sich aus den Daten mögliche Bohrziele ablesen lassen. Anschliessend sei eine Kreditgenehmigung durch das Eidgenössische Parlament notwendig. Die Bohrung findet frühestens 2026/2027 statt. Bei erfolgreichem Nachweis der Ressource Erdwärme wird die Erdwärmezentrale gebaut und an das Fernwärmenetz angeschlossen. Sie produziert nach aktueller Einschätzung frühestens ab Ende 2029 die Wärme für den Campus in Magglingen.

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