Startseite » Gebäudetechnik » Wärmespeicher puffert Solarstrom über Wochen
Wer eine Photovoltaikanlage betreibt, kann den Eigenverbrauch mithilfe eines Batteriespeichers um typischerweise 10 bis 20 Prozent steigern. Solarstrom könnte aber noch anders zur Deckung des eigenen Energiebedarfs eingesetzt werden: indem der Strom mit einer Wärmepumpe in Wärme umgewandelt und dann zwischengespeichert wird, bis diese zum Heizen und für das Warmwasser benötigt wird. Ein Forscherteam der Hochschule Luzern arbeitet an einem Wärmespeicher auf der Basis von Phasenwechselmaterialien, der auf diese Anwendung zugeschnitten ist.
Wer einen Öltank im Keller hat, verfügt über einen potenten Energiespeicher: Einmal im Jahr wird der Tank befüllt und liefert dann über Monate die Energie für Heizung und Warmwasser. Ölheizungen sind wegen der hohen Treibhausgasemissionen ein Auslaufmodell. Sie werden durch Heizsysteme ersetzt, die auf erneuerbaren Energien beruhen, darunter Sonnenenergie. Weil die Sonne nicht immer scheint, sind auch hier Speicherlösungen gefragt. Sie puffern überschüssige Solarenergie in sonnenreichen Zeiten, um sie Stunden oder Tage später nutzen zu können, wenn entsprechender Bedarf besteht.
Wer mittels Photovoltaik (PV) Solarstrom erzeugt, nutzt als Speicher typischerweise eine Batterie. Wer mit Solarkollektoren Solarwärme gewinnt, kann das heisse Wasser in einem Boiler zwischenspeichern. Mit etwas grösser dimensionierten Boilern kann Wärme ohne Weiteres während einer Schlechtwetterperiode von ein bis zwei Wochen gespeichert und genutzt werden. Im besten Fall lässt sich der Wärmebedarf erstklassig wärmegedämmter Gebäude allein mit Solarwärme vom eigenen Dach decken. «Solche saisonalen Wärmespeicher sind leistungsfähig, aber sie werden mitten im Gebäude platziert und kosten wertvollen Wohnraum», sagt Prof. Jörg Worlitschek, Experte für Energiespeicherung an der Hochschule Luzern – Technik und Architektur (HSLU).
Ein Stahltank voll Wasser und PCM-Kapseln
Vor diesem Hintergrund arbeiten HSLU-Forscherinnen und -Forscher um Jörg Worlitschek an einem neuen Speicherkonzept: Dabei produziert eine mit PV-Strom betriebene Wärmepumpe Warmwasser, das dann in einem Wärmespeicher gepuffert wird. Damit der Speicher bei möglichst kleinem Volumen eine möglichst grosse Kapazität hat, enthält er nicht nur Wasser, sondern zusätzlich Kapseln mit Phasenwechselmaterialien (engl. phase changing materials/PCM). PCM sind in der Lage, grosse Wärmemengen aufzunehmen und später wieder abzugeben.
Ein PCM-Speicher ist in der praktischen Umsetzung ein mehrere Kubikmeter grosser, unterirdischer Stahltank, gefüllt mit Wasser und PCM-Kapseln. Dank Einsatz von PCM-Kapseln nutzt der Speicher nicht nur sensible, sondern auch latente Wärme. Deshalb ist er in der Lage, innerhalb eines definierten Temperaturbereichs mehr Wärme pro Volumen zu speichern als ein klassischer Warmwasserspeicher. Die Funktionsweise des PCM-Speichers ist jener eines herkömmlichen Warmwasserspeichers aber sehr ähnlich.
Sensible und latente Wärme
Die Wärme, die dem Wasser beim Abkühlen entzogen werden kann, wird als sensible Wärme bezeichnet. Beim Phasenübergang von Wasser zu Eis wird latente Wärme frei. Wird das 0 °C-Eis weiter abgekühlt, entsteht abermals sensible Wärme. Auf der latenten Wärme, die beim Phasenübergang von Wasser zu Eis frei wird, beruhen die sogenannten Eisspeicher.
Berechnungen am Modell und im Labor
«Wir haben untersucht, wie ein solcher Speicher sinnvoll betrieben werden kann und was er kostet», sagt William Delgado-Diaz, der das von BFE unterstützte Forschungsprojekt geleitet hat. Er und seine Forscherkollegen erstellten zu diesem Zweck das Modell eines Heizsystems mit PV-Anlage, Wärmepumpe und PCM-Speicher. Ausgangspunkt für das Modell war ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen und 20 Bewohnern (800 m2 Energiebezugsfläche, 264 m2 verfügbare Dachfläche). Wird dieses Haus mit einer PV-Anlage mit ca. 36 kWp Leistung und einer Wärmepumpe mit 16 kW Leistung ausgestattet, lässt sich über das Jahr gesehen der gesamte Wärmebedarf des Gebäudes decken, wie die Forscherinnen und Forscher berechneten. Auf dieser Grundlage untersuchten sie mit Simulationsrechnungen die optimale Auslegung und die Kosten des neuartigen Speicherkonzepts.
Ausserdem bauten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Labor den Prototyp eines PCM-Speichers. Damit wurde seine Funktionsfähigkeit überprüft und sein Speicherpotenzial in Verbindung mit einer Wärmepumpe unter verschiedenen Bedingungen getestet. Das Phasenwechselmaterial für den Prototyp bezogen die Forscherinnen und Forscher von der Firma Cowa Thermal Solutions AG (Root), einem 2019 gegründeten Spin-off der Hochschule Luzern, das 2023 ein erstes PCM-Produkt auf den Markt gebracht hat.
So funktioniert der PCM-Speicher
Um die Funktionsweise eines PCM-Speichers zu verstehen, kann man beispielhaft ein saniertes Mehrfamilienhaus betrachten, dessen Heizung eine Vorlauftemperatur von 35 °C hat. An sonnigen Tagen wird PV-Strom vom eigenen Dach genutzt, um mit der Wärmepumpe Wasser auf etwa 50 °C zu erwärmen. Dieses wird in den PCM-Speicher geleitet. An kalten Tagen kann man das für die Heizung benötigte Warmwasser direkt aus dem Speicher beziehen. Durch Zumischung aus dem Rücklauf im Heizkreis erhält man die gewünschte Vorlauftemperatur von 35 °C.
Durch Wärmeentzug kühlt der Speicher ab, und dabei zeigt sich nun der grosse Nutzen der PCM-Kapseln: Sind 40 Grad erreicht, «gefriert» das eingekapselte Phasenwechselmaterial unter Abgabe von latenter Wärme. Im Phasenübergang von flüssig zu fest stecken grosse Wärmemengen, die zu Heizzwecken genutzt werden können. Sind alle PCM-Kapseln gefroren, kann dem Speicher weiter sensible Wärme entzogen werden, bis 35 °C Wassertemperatur erreicht sind.
Das Phasenwechselmaterial wird so gewählt, dass seine Schmelztemperatur etwas oberhalb der Vorlauftemperatur der Heizung liegt. Bei einem z. B. 20-jährigen Bestandsbau mit Fussbodenheizung liegt der Schmelzpunkt des eingesetzten PCM somit typischerweise im Bereich 40 bis 42 °C, bei einem Neubau mit Bodenheizung bei 30 bis 35 °C. Da das Warmwasser für Bad und Küche höhere Temperaturen benötigt, wird es in der Regel nicht aus dem PCM-Speicher bezogen, sondern durch die Wärmepumpe extra bereitgestellt und in einem klassischen Warmwasserboiler gepuffert.
Optimum bei 85 Prozent Eigenversorgung
Ideal wäre ein Wärmespeicher, der den Wärmebedarf des Gebäudes vollständig mit eigenem PV-Strom deckt, und dies auch noch möglichst günstig. Ein Speicher, der den Eigenverbrauch zu 100 Prozent deckt, müsste allerdings sehr gross ausgelegt werden und wäre nicht wirtschaftlich. Die HSLU-Forscherinnen und -Forscher haben für das betrachtete Mehrfamilienhaus (acht Wohnungen) nach dem PCM-Speicher mit optimalem Kosten-Nutzen-Verhältnis gesucht. Demnach würde mit einem PCM-Speicher von acht Kubikmetern Volumen ein Eigenversorgungsgrad von 85 Prozent erreicht. Die Wärmekosten liegen mit rund 35 Rp./kWh zwar deutlich über jenen einer Gasheizung (bei heutigen Gaspreisen), bewegen sich aber noch in einem «vernünftigen» Rahmen, wie die Autoren im Projektschlussbericht schreiben.
Die Forscherinnen und Forscher konnten auch zeigen, dass ein Heizsystem mit PV-Anlage, Wärmepumpe und PCM-Speicher erwartungsgemäss sehr viel klimafreundlicher ist als eine Ölheizung. Bei einem Ölkessel betragen die Treibhausgasemissionen gemäss Literaturangaben 319 gCO2eq/kWh, der grösste Teil verursacht durch Emissionen aus der Verbrennung des fossilen Energieträgers Öl. Bei dem Heizsystem mit PCM-Speicher hingegen liegen sie – wird das System auf einen Selbstversorgungsgrad von 85 Prozent ausgelegt – bei 11 bis 83 gCO2eq/kWh. Hier haben die grauen Treibhausgasemissionen, die im Strom zum Antrieb der Wärmepumpe stecken, einen grossen Anteil.
Begrenzte Speicherkosten
Die Investitionskosten für den PCM-Speicher des betrachteten Mehrfamilienhauses beziffern die HSLU-Forscherinnen und -Forscher inkl. Aushub mit 8’000 bis 31’000 Franken (bei sinnvoll gewählter Speichergrösse, abhängig vom Speichertyp). Die Gesamtkosten des ganzen Energiesystems belaufen sich auf 179’000 bis 207’000 Franken. Der PCM-Speicher hat an den Gesamtkosten also einen relativ kleinen Anteil. «Die wichtigsten Kostentreiber sind die PV-Anlage und die Wärmepumpe», sagt Delgado-Diaz. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass sich geeignete Phasenwechselmaterialien noch in Entwicklung befinden und die definitiven Kosten des Speichersystems nur grob geschätzt werden können.
Aktuell lohnt es sich also noch nicht, ein Mehrfamilienhaus mit PV-Anlage und Wärmepumpe zusätzlich mit einem PCM-Speicher auszustatten. Das könnte sich in Zukunft allerdings ändern, wie Jörg Worlitschek von der Hochschule Luzern ausführt: «In der heutigen Energieversorgung mag sich die Investition in den PCM-Speicher nicht lohnen. In einem künftigen Energiesystem mit dynamischen Strompreisen profitieren Systeme, die den eigenen Solarstrom in hohem Masse nutzen können, finanziell sehr viel mehr als heute.» Dann, so Worlitschek weiter, werde die Flexibilität, die man mit dem PCM-Speicher erziele, mehr wert sein als heute. «Je weniger Netzstrom man braucht, desto weniger ist man den Preisschwankungen des Netzstroms ausgeliefert. Auf lange Sicht werden sich solche Wärmespeicher daher auch finanziell auszahlen.»
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